Offener Brief an alle Bundesparlamentarier:innen
Barbarisch
Sehr geehrte Damen und Herren Parlamentarier:innen der FDP und der Mitte
(und für diejenigen der SVP, die kurz innehalten und nachdenken wollen)
Am 24. und 25. September findet eine ausserordentliche Session zum Asylwesen statt, natürlich auf Drängen Ihrer Ratskolleg:innen von der selbsternannten Volkspartei. Insgesamt stehen im National- und Ständerat vier identische Motionen der SVP-Fraktion zur Debatte.* Neuerdings tragen Ihre Parteien mind. zwei dieser barbarischen Vorstösse mit. Der nicht zwingend weitreichendste, aber wahrscheinlich bösartigste dabei ist dieser:
Kein Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene
Wow. Im Rückblick über die letzten Jahre reden wir hier v.a. über Menschen aus Syrien. Denken Sie kurz an Ihre eigene Familie (vielleicht insbesondere ihre Kinder, wenn Sie solche haben) und lesen Sie den Motionstitel noch einmal in Ruhe. Dieser Vorschlag ist so haarsträubend, so unmenschlich und so dermassen frei von jeglicher Empathie, dass uns nur Kopfschütteln bleibt. Was wollen Sie damit bloss erreichen? Damian Müller weiss es: «Die Situation hat sich in den vergangenen 10 Jahren massiv verändert. Wir haben heute infolge des Nichtstuns des Bundes viel mehr Wirtschaftsmigranten in der Schweiz. Deshalb müssen wir die Asylpolitik anders fokussieren.» Erneut. Schon wieder. Und natürlich glaubwürdig sein. Und Härte zeigen. Und abschreckend wirken. Und letztlich immer barbarischer werden.
Haben Sie es gemerkt? Diese Politik führt nirgendwo hin. Denn: Ja, die globale Situation hat sich in den letzten 10 Jahren tatsächlich verändert. Klimakrise und globale Ungerechtigkeit treiben immer mehr Menschen in den nackten Existenzkampf, immer mehr Menschen versuchen sich dem zu entziehen. Die Fakten sind da, sie sind simpel, sie weiter zu negieren ist ignorant. Sie hingegen tun dies, lassen sich von der SVP durchs Dorf treiben und stimmen in den Kanon der Barbarei ein, indem Sie die Flucht vor Perspektivenlosigkeit als missbräuchlichen Akt verunglimpfen und Menschen letztlich für ihre blosse Armut abstrafen wollen. Sie selber aber sind allesamt überprivilegiert, mehr als nur wohlhabend und zählen somit zu einem verschwindend kleinen Teil der Menschheit. Haben Sie dies vergessen? Ihre Zustimmung widerspräche nicht nur dem Sinn unserer Verfassungspräambel, sie wäre im Lichte aller rational fassbaren, globalen Entwicklungen moralisch verwerflich. Darüber hinaus hätte sie keinen monetären Nutzen und zeugt von erheblicher Sachunkenntnis.
Angesichts dessen müssen wir Ihnen bei allfälliger Zustimmung den Willen zur Mittäterschaft unterstellen. Sie können nachher nicht sagen, Sie hätten es nicht gewusst. Sie wissen, dass es bei diesen Motionen nun nicht mehr um Details geht, sondern einfach nur darum, die allermeisten Flüchtenden – egal ob ihre Gründe der Flüchtlingskonvention stand halten – von der Schweiz fern zu halten.
Die Situation mag nicht einfach sein, aber das war sie noch nie. Die Antworten, die Ihnen die SVP auf dringende Fragen gibt, sind falsch. Bedenken Sie dies, wenn Sie bei der Abstimmung ihren Knopf drücken.
Hochachtungsvoll
Freiplatzaktion Basel
Zu den vier erwähnten Motionen:
* weitere: